Stiftungsbericht "leuchte auf" 2014 - page 11

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3000 Jugendliche besuchen jährlich die Trainingsmodule des
BVB-Lernzentrums. Unter der Südtribüne geht es dann um
Zivilcourage, Anti-Rassismus und Interkulturelles Lernen.
„Rück das Handy raus!“ Die beiden Jungen haben ihr Opfer
in die Mitte genommen. Sie schreien, pöbeln, rempeln, stoßen
das junge Mädchen schließlich zu Boden und entreißen ihr
das Telefon. Die anderen Fahrgäste der U-Bahn schauen
stur geradeaus. Betretenes Schweigen. Niemand rührt sich.
Nur zwei Freundinnen stehen auf und stellen sich den Tätern
entgegen. So geht Zivilcourage. Auch wenn sie in diesemFall
nur gespielt ist. Denn Täter und Opfer sind Schüler der
Hauptschule Wickede. Die U-Bahn ist der Seminarraum
des BVB-Lernzentrums im SIGNAL IDUNA PARK. Und die
beklemmende Szene ist nichts weiter als ein Rollenspiel,
das das Thema des heutigen Vormittags auf den Punkt bringt:
Zivilcourage und Gewaltprävention.
Es ist eines von drei Modulen, die Diplom-Pädagoge Johannes
Böing und seine Kollegen in diesem außergewöhnlichen
Klassenzimmer anbieten. Auch Trainings zu Interkulturellem
Lernen sowie Rassismus & Rechtsextremismus stehen im
BVB-Lernzentrum schon seit zehn Jahren regelmäßig auf
dem Stundenplan. Hier, direkt unter der Südtribüne, wo
bei Heimspielen des BVB 25.000 Menschen die „Gelbe Wand“
bilden, ist man näher dran an den Jugendlichen, weiß
Johannes Böing um den Reiz von außerschulischen Lernorten
wie diesem. „Die sind hier einfach offener.“ Für ihn als Borusse
ist ohnehin klar: „Das ist ein heiliger Ort. Und der schönste
Arbeitsplatz, den man sich vorstellen kann.“
Aber das BVB-Lernzentrum erreicht nicht nur die schwarz-
gelben Fans. 3.000 Jugendliche besuchen jährlich die
Trainingsmodule. An diesem Vormittag sind BVB- und
Schalke-Anhänger genauso unter den 60 Schülern, wie die
des FC Bayern oder von Real Madrid. Sie alle tauschen in
Gesprächsrunden ihre Erfahrungen mit dem Thema Zivil-
courage aus; anhand von Videosequenzen und Rollenspielen
lernen sie richtige Verhaltensweisen kennen. „Wenn wir Zivil-
courage zeigen wollen, müssen wir darauf achten, dass wir
uns nicht selbst als Gegner präsentieren“, erklärt Johannes
Böing. „Also: Die Täter nicht anschreien, nicht so nah ran-
gehen, nicht schubsen. Stattdessen Verbindung zumOpfer
aufnehmen, andere Leute direkt ansprechen und sie umHilfe
bitten. Denn der Eigenschutz ist das Wichtigste.“
Bianca (17) nickt. Die Schülerin hat schon häufig Situationen
erlebt, in denen andere in Bedrängnis geraten sind; war
selbst bereits Opfer von Gewalt. „Vor zwei Jahren wurde ich
angegriffen, als ich in Dortmund vor demKino gewartet habe“,
sagt sie. „Ich habe umHilfe gerufen. Aber die Leute standen
bloß drum herum. Keiner hat etwas gemacht.“ Bianca landete
mit einemRippenbruch in der Klinik. Seither steht für sie fest:
„Wenn ich sehe, dass einer angemacht wird, greife ich ein. Ich
frage lieber zehn Mal zu viel nach, als ein Mal zu wenig. Ich
könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich nicht helfe und hinter-
her liegt einer verletzt imKrankenhaus!“ So geht Zivilcourage.
Das etwas andere Klassenzimmer
Fotos: Bundesliga-Stiftung
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